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Medizin

Niesen reicht weiter als gedacht

Turbulentes Gas schleudert feine Tröpfchen und Erreger 200 Mal weiter

Niesen: Tröpfchen fliegen viel weiter als gedacht © Jose-Luis Olivares / MIT

Hatschi! Nass geworden? Ein kräftiges Niesen schleudert feinste Tröpfchen bis zu 200 Mal weiter als bisher angenommen. Zu diesem Ergebnis kommen US-Wissenschaftler, die zum ersten Mal ein Niesen als komplexe, turbulente Wolke berechnet haben. Demnach fliegen vor allem die feinen Tröpfchen besonders weit – und mit ihnen auch Krankheitserreger. Deshalb: beim Niesen die Nase bedeckt halten.

Beim Niesen erreicht die ausgestoßene Luft ähnliche Windgeschwindigkeiten wie ein Tornado. Irritierenden Staub und vor allem Krankheitserreger schleudert der Körper auf diese Art von sich. Wer einmal das Pech hatte, in Reichweite eines ungebremsten Niesers gestanden zu haben, kennt auch die unzähligen Tröpfchen in diesem Luftstrom.

Tröpfchen übertragen Krankheiten

Das Flugverhalten und besonders die Reichweite dieser Tröpfchen sind entscheidend dafür, wie Keime und damit Krankheiten von Mensch zu Mensch übertragen werden. In bisherigen Untersuchungen hatten Forscher gewissermaßen jedes Tröpfchen eines Niesens einzeln behandelt. Dabei ergab sich die Schlussfolgerung, dass größere Tröpfchen weiter fliegen als kleinere – sie haben mehr Masse und damit bei gleicher Geschwindigkeit auch mehr Impuls. Es dauert also länger, bis sie abgebremst werden und absinken. Diese Sichtweise ist Wissenschaftlern vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA zufolge jedoch unvollständig.

John Bush und seine Kollegen verfolgten in ihrer Studie daher einen neuen Ansatz: „Die Tröpfchen sieht und fühlt man“, sagt Bush, einer der Autoren der Studie. „Aber die Wolke, die unsichtbare Gasphase, sieht man nicht.“ Gerade der Einfluss dieser Gasphase erhöhe aber die Reichweite der einzelnen Tröpfchen, die darin umherschweben, sagen die Wissenschaftler. Sie behandeln in ihrem Modell den ausgestoßenen Nieser daher als zusammenhängendes Gebilde, eine „multiphasige, turbulent treibende Wolke“.

Die Forscher benutzten eine Hochgeschwindigkeitskamera, um Menschen beim Husten und Niesen aufzuzeichnen. Die Zeitlupen dieser Aufnahmen analysierten sie zusammen mit Laborsimulationen und mathematischen Modellen. Die angewendeten Modelle werden auch verwendet, um das Strömungsverhalten von Flüssigkeiten zu berechnen.

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Die MIT-Wissenschaftler verwendeten Hochgeschwindigkeits-Aufnahmen von Niesen und Husten© Massachusetts Institute of Technology (MIT)

Kleine Tröpfchen fliegen weiter

Dabei zeigt sich ein genau umgekehrtes Bild zu bisherigen Forschungsergebnissen: Die gasförmigen Strömungen wirbeln die Tröpfchen strudelförmig umher und halten sie in der Luft. Die schwereren Tröpfchen sinken in diesen Wirbeln schneller nach unten, die kleineren fliegen eine viel weitere Strecke. Erst wenn sich die wirbelnde Wolke so stark mit der Umgebungsluft vermischt hat, dass sie sich auflöst, endet auch der Flug für die allerkleinsten Tröpfchen.

Tröpfchen mit einem Durchmesser von 100 Mikrometern fliegen demnach fünfmal so weit wie bislang angenommen, solche von 10 Mikrometern Größe sogar 200 Mal weiter. Tröpfchen, die kleiner sind als 50 Mikrometer bleiben lange genug in der Luft, um Deckenventilatoren oder Lüftungsschächte zu erreichen – und so die enthaltenen Krankheitserreger noch deutlich weiter tragen.

Neue Planung für Lüftungssysteme

„Lüftungssysteme könnten auf viel direktere Weise kontaminiert werden als ursprünglich erwartet“, sagt Lydia Bourouiba, Co-Autorin der Studie. Wie sich die Tröpfchen und vor allem die Krankheitskeime auf solchen Wegen weiter verteilen, wollen die Forscher darum als nächstes mit noch genaueren Methoden untersuchen. Die Ergebnisse könnten in Zukunft in die Planung von Belüftungssystemen an Arbeitsplätzen und in Krankenhäusern, aber auch die Luftzirkulation in Flugzeugen einfliessen.

Am besten ist jedoch nach wie vor, die turbulente Wolke beim Niesen gar nicht erst entkommen zu lassen und die Nase zu bedecken. Ein Taschentuch oder die Armbeuge sind dazu übrigens geeigneter als die Hand, denn über letztere werden Krankheitserreger besonders gut weiter verschleppt.

(Journal of Fluid Mechanics, 2014; doi: 10.1017/jfm.2014.88)

(Massachusetts Institute of Technology (MIT), 09.04.2014 – AKR)

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