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Materialforschung

Stärkster Klebstoff der Natur enträtselt

Seepocken-Kleber hält auch unter Wasser auf jeder Oberfläche

Seepocken kleben auf jedem Untergrund, auch auf nassen Oberflächen. © freeimages

Superkleber unter Wasser: Seepocken halten auf jeder Oberfläche. Ihr Kleber ist nicht nur der stärkste natürliche Klebstoff – er hält auch problemlos unter Wasser. Den Trick dahinter haben britische Wissenschaftler nun enträtselt: Die Seepocken putzen vor dem Kleben das störende Wasser gewissermaßen mit Öl weg. Diese Erkenntnis soll nicht nur für die Herstellung neuer Klebstoffe, sondern auch für Seepocken-abweisende Anstriche nützlich sein.

Wenn sich eine Seepocke erstmal niedergelassen hat, dann bleibt sie für den Rest ihres Lebens an Ort und Stelle: Der Klebstoff, mit dem die Krebstiere sich an den gewählten Untergrund zementieren, hält stärker als jeder andere in der Natur vorkommende Kleber. Diese Leistung ist umso bemerkenswerter, da der Superklebstoff nicht nur wasserfest ist, sondern von den Seepocken auch erfolgreich auf nasse Oberflächen aufgetragen wird – er klebt einfach immer und überall. Wie und warum das funktioniert, egal wie unterschiedlich die Temperatur und Zusammensetzung des Meerwassers auch ist, war lange Zeit ein Rätsel.

Einfacher Trick mit zwei Bestandteilen

Bereits Charles Darwin beschrieb vor über 150 Jahren die Drüsen, aus denen die Seepocken ihren Zement ausscheiden. Bekannt war bereits, dass der Seepockenkleber aus zwei Komponenten besteht: einem öligen Lipid-Gemisch und einer Mischung von Phospho-Proteinen. Wissenschaftler gingen bislang davon aus, dass diese ähnlich wie im Handel erhältliche synthetische Klebstoffe funktionieren: Erst nach dem Mischen kleben sie und härten aus. „Aber das beantwortete noch nicht die Frage, wie der Kleber zunächst Kontakt mit der Oberfläche bekommt, wenn diese bereits mit Wasser bedeckt ist“, so Nick Aldred von der britischen Newcastle University.

Er und seine Kollegen haben sich den Klebemechanismus darum genauer angeschaut, als Darwin es je konnte. Mit neuen Techniken wie der Zwei-Photonen-Mikroskopie fanden sie den einfachen, aber genialen Trick der Seepocken heraus: Sie scheiden zunächst einen Tropfen des öligen ersten Bestandteils aus. Dieses Öl verdrängt das Wasser von der Oberfläche und macht den Weg frei für den eigentlichen Superkleber, die Phospho-Proteine.

Mit Seepocken überkrusteter Pfahl einer Hafenanlage. © freeimages

Entscheidend für die Entdeckung waren die Beobachtungen an lebenden Seepocken-Larven, während sie sich festsetzen: „Die Technologie ist der Schlüssel,“ sagt Aldred. „Mit den neuen Methoden können wir die Prozesse an lebenden Proben studieren, während sie ablaufen.“ Die biochemische Zusammensetzung der Bestandteile ließe sich auch mit anderen Methoden bestimmen, so der Forscher, aber diese allein erklärten noch nicht den Mechanismus. „Es gibt keinen Ersatz dafür, Dinge mit den eigenen Augen zu sehen.“

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Doppelter Nutzen des Superklebers

Die neuen Erkenntnisse über den Superklebstoff der Seepocken sind gleich doppelt bedeutend: Einerseits sollen sie natürlich bei der Entwicklung neuer, biologisch verträglicher Klebstoffe helfen. Solche Kleber könnten dann zum Beispiel für medizinische Implantate, aber auch für mikroelektronische Bauteile nützlich sein.

Ein anderer Gesichtspunkt ist jedoch möglicherweise noch wichtiger: Der bekannte Klebemechanismus ermöglicht auch die Entwicklung Seepocken-abweisender Beschichtungen für die Schifffahrt. Die Tiere setzen sich auch in großem Stil an den Außenhüllen von Schiffen fest. Dort erhöhen sie die Reibung und damit den Treibstoffverbrauch – geschätzte 7,5 Milliarden US-Dollar jährlich entstehen der Schiffahrtsindustrie so an zusätzlichen Kosten, neben einem enormen zusätzlichen Ausstoß an Schadstoffen und Treibhausgasen.

(Nature Communications,2014; doi: 10.1038/ncomms5414)

(Newcastle University, 22.07.2014 – AKR)

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