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Technik

Neuartiger Bohrer nach Holzwespenart

Bionisches Instrument arbeitet präziser und kann veschiedenste Lochformen produzieren

Bohren wie die Holzwespen: Ein neuartiger Bohrer soll Chirurgen dabei helfen, Hüftprothesen einzusetzen. © Fraunhofer IPA

Von Holzwespen abgeschaut: Ein neuartiger Bohrer nach Vorbild eines Legestachels könnte künftig Hüftoperationen erleichtern. Denn der pneumatische Bohrer mit dreiteiliger Raspel arbeitet schonender und präziser als herkömmliche Boher und Raspeln. Das von der Natur abgeschaute Instrument wurde nun beim International Bionic Award 2014 ausgezeichnet.

Jedes Jahr bekommen in Deutschland rund 200.000 Patienten ein künstliches Hüftgelenk. Bei der aufwendigen Operation bohrt der Orthopäde ein großes Loch mit rechteckigem Querschnitt in den Oberschenkelknochen. Er muss sehr präzise vorgehen, damit das Implantat fest anliegt und keine Hohlräume entstehen. Denn eine Hinterfütterung mit Zement würde die Haltbarkeit des Kunstgelenks verkürzen. Dennoch arbeiten die Chirurgen weitgehend von Hand mit verschiedenen Raspeln.

Legestachel mit drei Raspeln

Ein Team um den Biotechniker Oliver Schwarz vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) in Stuttgart hat nun ein pneumatisch betriebenes Gerät entwickelt, das die Arbeit erheblich erleichtern und die Präzision erhöhen könnte. Der neuartige Bohrer kann Löcher mit eckigem Querschnitt bohren, denn er arbeitet nach einem ungewöhnlichen Prinzip.

Schwarz hat sich von den Hautflüglern inspirieren lassen und zusammen mit seinem Team das Prinzip in die Technik übertragen. Viele Arten von Holz- und Schlupfwespen bohren bis zu sechs Zentimeter tiefe Löcher ins Holz, um ihre Eier abzulegen. Da ihnen Rotationen nicht möglich sind, raspeln sie die Hohlräume überaus trickreich aus dem Stamm. Ihr Legestachel besteht aus drei separaten Raspeln, die sich unabhängig voneinander bewegen können. Eine Art Leitschiene sorgt dafür, dass die Teile beieinander bleiben.

Beim Bohren bewegt sich das Raspel-Trio in einem ausgeklügelten Wechselspiel vor und zurück und frisst sich dabei ganz von selbst ins Holz. Techniker sprechen vom Pendelhubprinzip. Während sich der eine Teil bewegt, verhakt sich der andere im Loch und sorgt so für den nötigen Halt. Auf diese Art muss das Tier seinen filigranen Stachel nicht andrücken, wie es etwa bei einer Bohrmaschine nötig ist.

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Für den OP genauso wie fürs Weltall

Diese Bohrtechnik bietet gegenüber der herkömmlichen Methode erhebliche Vorteile, nicht nur für Chirurgen. Vor allem ist sie nicht auf runde Löcher beschränkt. Da nichts rotiert, lassen sich auch Löcher mit drei- oder mehreckigem Querschnitt erzeugen. Darin würde ein Dübel viel besser halten, weil er nicht durchdrehen kann. Zudem muss man einen Pendelhub-Bohrer kaum andrücken. Man könnte ihn selbst im Weltall oder unter Wasser nutzen, wo es schwierig ist, eine große Gegenkraft aufzubringen.

Für poröse Materialien wie Knochen ist er besonders gut geeignet, das haben erste Tests gezeigt. Der Knochenbohrer für die Hüft-OPs soll etwa 1,5 Kilogramm wiegen und gut in der Hand liegen. Die Konstrukteure haben sich eigens mit Ärzten abgestimmt, um ein optimales Design zu finden. Der mehrteilige Raspelkopf lässt sich mit einem einfachen Handgriff auswechseln und durch einen anderen ersetzen. Um den Apparat sterilisieren zu können, lässt er sich problemlos zerlegen.

Sobald sich ein interessiertes Unternehmen findet, will das Stuttgarter Team einen Prototyp bauen. Für nicht-medizinische Bohranwendungen wird er bereits für ein Unternehmen weiterentwickelt. Weil der Bohrer die Natur als Vorbild nimmt, wude der Wissenschaftler für ihn mit dem zweiten Preis im „International Bionic Award“ ausgezeichnet.

(Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, 29.10.2014 – NPO)

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