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Klima

Das Dach der Welt verliert sein Eis

Himalaya: Bis 2100 könnten fast alle Gletscher in der Mount Everest-Region verschwunden sein

Blick auf Mount Everest und Co vom Dubh Kosi Becken aus © Patrick Wagnon

Himalaya ohne Schnee? Die Gletscher rund um den höchsten Berg der Welt könnten schon bald drastisch schrumpfen: Bis 2050 droht eine Halbierung des Eisvolumens in der Mount Everest-Region, bis 2100 könnte sogar fast alles Eis verschwinden, wie Forscher im Fachjournal „Cryosphere“ berichten. Für die Bewohner Nepals und anderer angrenzender Gebiete wäre dies fatal, denn ihre Wasserversorgung hängt größtenteils von den Himalaya-Gletschern ab.

Die Gletscher des Himalaya sind das größte irdische Eisreservoir außerhalb der Polargebiete. Ihr Eis spielt daher für den Wasserhaushalt der Region, aber auch für das Klima Asiens eine wichtige Rolle. Wie sich der Klimawandel auf diese Region auswirkt, ist aber bisher nur in Teilen klar. „Die meisten Regionen zeigen in den letzten Jahren deutliche Gletscherrückgänge“, berichten Joseph Shea vom International Centre for Integrated Mountain Development (ICIMOD) in Kathmandu und seine Kollegen. Es gibt aber auch Ausnahmen, darunter der Karakorum und das Pamirgebirge.

Dach der Welt im Computermodell

Wie sensibel die Himalaya-Region rund um den Mount Everest reagiert, haben Shea und seine Kollegen nun ermittelt. Sie untersuchten das Gebiet des sogenannten Dudh Kosi-Beckens. Dieses umfasst nicht nur die Gipfel des Mount Everest, des Nuptse, Makalu und anderer Gebirgsriesen, es enthält auch gut 400 Quadratkilometer Eisfläche. „Diese Region gilt als potenziell sensibel gegenüber der globalen Erwärmung“, erklären die Forscher. Aber weil 80 Prozent der Gletscher im Dubh Kosi-Becken oberhalb von 5.000 Metern liegen, sind Messdaten rar.

Messungen im Dubh Kosi Becken des Himalaya © Patrick Wagnon

Für ihre Studie fütterten die Forscher ein Modell der Gletscherentwicklung mit Messdaten von Feldexpeditionen und Wetterstationen der letzten 50 Jahre. Damit bildeten sie zunächst die heutigen Bedingungen nach, um die Treffsicherheit des Modells zu testen. Dann simulierten sie die zukünftige Entwicklung unter dem gemäßigten IPCC-Szenario RCP4.5 und dem heftigeren – und möglicherweise realistischeren – IPCC-Szenario RCP8.5

Bis 2050 ist die Hälfte weg

Das Ergebnis ist wenig ermutigend. Denn die Eismassen in diesem Teil des Himalaya erwiesen sich als hochsensibel gegenüber klimabedingten Einflüssen. „Das Signal der zukünftigen Veränderungen in dieser Region ist eindeutig: Es droht ein kontinuierlicher und wahrscheinlich beschleunigter Masseverlust der Gletscher“, sagt Studienleiter Joseph Shea vom International Centre for Integrated Mountain Development (ICIMOD) in Katmandu.

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Wie die Berechnungen ergaben, könnte die Region rund um den Mount Everest bis 2050 zwischen 39 und 52 Prozent seines heutigen Eisvolumens verlieren – je nachdem, wie stark der Klimawandel bis dahin fortschreitet. Bis 2100 prognostizieren die Forscher sogar einen Eisverlust von günstigstenfalls 84 und schlimmstenfalls 95 Prozent. Noch sehen sie ihre Ergebnisse als erste Abschätzung und betonen, dass es noch einige Unsicherheiten gibt. Dennoch sei klar, dass selbst beim konservativsten Klimawandel-Szenario das Eis signifikant schwinden werde.

Gletscherzungen und Gletscherseen im Himalaya. © NASA

Schneegrenze verschiebt sich

Hauptursache für den prognostizierten Eisschwund ist die Erwärmung, die die Nullgrad-Grenze im Gebirge immer weiter in die höheren Lagen verschiebt. Bis 2100 könnte sie um 800 bis 2.100 Meter ansteigen – und damit bis kurz unter die Gipfel der höchsten Berge. „Eine potenzielle Erhöhung der Schneegrenze auf 7.000 Meter bis 2100 würde 90 Prozent der jetzigen Gletscherfläche dem Schmelzen aussetzen.

Zwar könnten erhöhte Niederschläge den Eisverlust etwas verlangsamen. „Sie reichen aber nicht aus, um das verstärkten Abtauen der Gletscher durch die Erwärmung aufzuhalten“, so die Forscher. Hinzu kommt, dass durch die wärmere Atmosphäre der Niederschlag selbst in den Höhenlagen künftig immer häufiger als Regen statt als Schnee fallen wird. Statt den Gletschern den dringend nötigen Eisnachschub zu verschaffen, tragen sie so sogar noch mehr zu deren Abschmelzen bei.

Wassermangel einerseits, Überschwemmungen andererseits

Das Abtauen der Himalaya-Gletscher hätte nicht nur Folgen für die Bergregion selbst, sondern auch für die Wasserversorgung von Teilen Nepals. „Die Gletscher im Dudh Kosi-Becken liefern dem Kosi-Fliuss Schmelzwasser und beeinflussen darüber auch die Flusspegel weiter stromabwärts“, sagt Shea. Vor allem kurz vor dem Monsun, wenn kaum Regen fällt und Wasser knapp wird, könnten die Menschen in diesem Gebiet dann unter Wassermangel leiden.

Umgekehrt könnten aber auch katastrophale Hochwässer und Überschwemmungen auftreten. Denn durch das Abtauen der Gletscher bilden sich häufig Schmelzwasserseen am Fuß der Eisriesen, die nur von einem Gerölldamm vor dem Auslaufen gehindert werden. Wird dieser Damm durch Lawinen oder Erdbeben beschädigt, rast der Inhalt dieser Gletscherseen in einer Sturzflut zu Tal. Wie die Forscher ermittelten, könnten dann kurzfristig hundertfach größere Wassermengen das Kosi-Becken durchströmen als normalerweise. (The Cryosphere, 2015; doi: 10.5194/tc-9-1-2015)

(European Geosciences Union (EGU), 27.05.2015 – NPO)

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